Musikalisches Erdbeben

Von Anken Bohnhorst-Vollmer – Nassauische Neue Presse vom 29.09.2015

Mit einem Meisterkonzert der Meisterklasse versetzten die Brass Band Hessen und Solotubist Jörg Wachsmuth die gut besuchte Stadthalle in Schwingung.

Der Titel des Programms ist schlicht und schnörkellos: „Tour 15“, nennt die Brass Band Hessen unter der Leitung von Hans-Reiner Schmidt den Ausschnitt ihres Repertoires, mit dem sie jetzt die Stadthalle erbeben ließ. Das Ensemble mit etwa 30 Blechbläsern und Perkussionisten spielte ein gewaltiges Konzert mit säuselnder Romantik, hitzigem Tango und Mambo, mit ein wenig Rock der 1990er Jahre, opulenter Musik aus fernen Fantasie-Welten und mit einem Solisten, der gemeinsam mit seinem Instrument ein Kunstwerk der besonderen Art darstellt.

Schwarz-Rot-Gold

Denn Professor Jörg Wachsmuth, Solotubist der Dresdner Philharmonie, blies nicht eine einfache Tuba, sondern spielte auf einem mehr als zwei Meter hohen, rund 60 Kilogramm schweren Instrument. Und seine Version von „Der Alte Brummbär“, einer schmissigen Komposition des tschechischen Musikers Julius Fucik, klang auch nicht nur wie eine Militärpolka. Vielmehr inszenierte Wachsmuth das Werk in Schwarz-Rot-Gold: Vor dem satten Klangkörper der schwarz gekleideten Brass-Band-Bläser, saß der Solist in knallrotem Anzug hinter seiner überdimensionalen, gold funkelnden Tuba und bewies, dass Musik nicht nur ein akustisches Erlebnis ist.

Sie ist auch ein Schlüssel zu fantastischen Reichen, in denen beispielsweise Zwergen riesenhafte Macht zuwächst wie in Jacob Vilhelm Larsens Komposition „The Saga of Tyrfing“, die auf der skandinavischen Edda-Sage beruht. Die kleinen Männchen sollen das Schwert Tyrfing schmieden und belegen aus Zorn über diese Aufgabe die Waffe mit unheilbringenden Flüchen. Zu hören ist diese Dramatik durch eine wundervoll nachempfundene gleichförmige Melodie und scharfkantige Rhythmen, die in einem finalen Paukenschlag kulminieren. Das Schwert wird alle seine Benutzer ins Unglück führen – aber der zauberhafte Klang seiner Entstehung bleibt bestehen. Ebenfalls bombastisch geriet den Musikern der Finalsatz von Gustav Mahlers Zweiter Symphonie in einem Arrangement von Philip Harper. Der Text dieses Satzes basiert auf dem Gedicht „Die Auferstehung“ von Friedrich Gottlieb Klopstock. Tatsächlich verströmte die Interpretation der Brass Band Hessen raumgreifende Zuversicht – der Klang von fernen Alphörnern, den man zu Beginn auszumachen meint, verdichtet sich zu einem wohltuend vollen Sound, garniert von einem feinen, überraschenden Triangeleinsprengsel.

Als weiteres Arrangement hatte das Ensemble um Hans-Reiner Schmidt den Queen-Titel „Innuendo“ vorbereitet, ein breit angelegtes Werk mit sphärischen Klängen und hymnischen Passagen und mit einer musikalischen Botschaft, die man sich auch in den gegenwärtigen Charts wünschen würde, betonte Moderator Simon Dillmann.

Besser als jede Hitparade

Dabei könnte man getrost auf jegliche Hitparade verzichten, wenn man allein die Arbeit dieser Blechbläser auf sich wirken lässt. Denn deren Vielseitigkeit umspannt neben Piazzollas „Libertango“ und Bernsteins Westside-Story-Mitmachmusik „Mambo“ auch Werke aus eher entlegenen Regionen, wie das mehrsätzige „Call of the Cossacks“ des britischen Komponisten Peter Graham zeigte. So krachend spielte sich das Ensemble hier in die Kosaken-Seele, dass nicht viel gefehlt hat, bis sich auch das Publikum im Kasatschok gedreht hätte.

„Brass Band Hessen Tour 15“: Wer wie diese Musiker eine derart beeindruckende Klangwelt erschaffen kann, darf sich für sein Programm ruhig einen langweiligen Titel aussuchen.