So weich, so mächtig

Frankfurter Rundschau – Dienstag, 05. August 2008

So weich, so mächtig

Bergen-Enkheim Mit original britischem Sound bläst sich die Brass Band Hessen selbst den Gründungs-Tusch

– Von George Grodensky –

Sport und Musik gehören zusammen. Jeder Triumph verlangt nach einem Marsch. Jede Niederlage nach einer Ballade. Simon Dillmann und Hans-Reiner Schmidt waren im Februar 2007 eher in Feierlaune, als sie die Brass Band Hessen gründeten. „Eine Kantinen-Idee“, sagt Dillmann. Während des Halbfinales der Handball-WM saßen die zwei im Speisesaal des Hessischen Rundfunks am Dornbusch und sahen zu, wie Deutschland gegen Frankreich gewann. Mitten im Jubel gründeten sie ihr Band-Projekt.

Einst brachte die Musik Glanz in den Alltag der englischen Arbeiter im Kohlebergbau

Hans-Reiner Schmidt, Posaunist im hr-Sinfonieorechester und Dirigent des neuen Ensembles, ging lange mit der Idee schwanger. „Das wäre eine bärige Nummer“, hat er stets gedacht. In Simon Dillmann, Hornist beim Sinfonsichen Blasorchester Hessen, hat er einen Gleichgesinnten gefunden.

Brass Band – brass bedeutet Messing – sind etwas Ur-Englisches. Ab 1830 traten die Ensembles von Kohlebergbaugebieten aus den Siegeszug an. Für die Arbeiter war es ein schönes Freizeitvergnügen, die Bergwerksleitungen förderten die Blaserei, weil sie der Lunge guttut. Zunächst spielten Brass Bands Opern- und Operetten-Melodien. Bald auch Stücke spezialisierter Komponisten.

„Eine Brass-Band hat mehr Druck“, sagt Schmidt über die Unterschiede zu traditionellen deutschen Blasorchestern mit ihren Holzbläsern. Dazu haben englische Blech-Instrumente wie das Kornett einen weicheren Klang als etwa die Trompete. Die Brass Band kann deswegen auch lieblich einschmeichelnd klingen.

Die emotionale Bandbreite britischer Blasmusik haben die 150 Besucher der Frankfurt-Premiere des Ensembles am Sonntag im Volkshaus Enkheim zu spüren bekommen. Zum Beispiel in den „Valerius Variations“ – Lieder des holländischen Komponisten Adriaen Valerius (1575 – 1625), für Brass arrangiert von Philip Sparke (*1951).

Das Stück beginnt getragen wehmütig, wird aber schnell dramatisch und flott. Wenig später klingen fröhlich beschwingte Melodien durch den Saal, die in schwärmerische Romantik übergehen. Zum Ende treibt eine wilde Jagd, in der das Orchester sich die Phrasen zuwirft, einem pompösen Schluss entgegen. Das Publikum verharrt einen Moment atemlos, um dann in begeisterten Applaus auszubrechen.

In Deutschland sind Brass Bands noch nicht so verbreitet, die Welle schwappt erst langsam über den Kanal. Dass die Frankfurter in den Genuss kommen, verdanken sie den Trägern der Band – dem Jugendorchesterverband „Jeunesses Musicales“ und der Initiative Neue Blasmusik in Hessen.

Der stellvertretende Vorsitzende der Neuen Blasmusik, Jens-Christian Wagner, kommt aus Bergen-Enkheim. Beide Initiativen haben vor fünf Jahren bereits das Sinfonische Blasorchester Hessen ins Leben gerufen und Bergen-Enkheim als Konzertort etabliert.

Ob die Brass Band ähnlich regelmäßig auftreten kann, wird sich zeigen. Sie ist laut Hans-Reiner Schmidt ein Workshop-Orchester. Einmal im Jahr treffen sich 30 meist hessische Musiker für ein paar Tage und stellen ein Programm auf die Beine. Diesmal haben sie drei Tage in einer Jugendherberge in Weilburg geprobt, bevor sie Samstag in Limburg groß aufspielten.

Die Truppe ist jung, man versteht sich gut. Fünf Musikprofis, Studenten, Musikschullehrer und begeisterte Hobby-Instrumentalisten haben gemeinsam die Betten bezogen und auf engen Zimmern gehaust – „das schweißt zusammen“, sagt Schmidt.