von Matthias Brockmann – Wetterauer Zeitung – 10. August 2011
BAD VILBEL (bro) Der sonntägliche Morgenhimmel war einziges Grau in Grau, verhieß nichts Gutes für die Matinee „Drachenmond“ der Brass Band Hessen in der Wasserburg. Eintöniges graues Einerlei nur unterbrochen vom Dunkelgrau der Regenwolken, aus denen Regen auf Musiker und Zuhörer hätte fallen können. So kann man sich einen Sonntag um 1830 in englischen Kohlerevieren vorstellen. Grau in Grau und Regen und Bergleute in ihrer Freizeit mit Blasinstrumente aus Messing (das englische Wort für Messing ist Brass, daher auch der Namen dieser speziellen Musikart), die gemeinsam musizieren. Finanziell wurden sie von den Grubenbesitzern unterstützt, da die spezielle Atemtechnik für das Spiel der Blechblasinstrumente der für die Gesundheit der Bergleute gefährlichen Lungenerkrankungen vorbeugen konnte. Von den englischen Grubenrevieren um 1830 nahm die Brass-Musik ihren Lauf, wurde selbst von der Heilsarmee aufgegriffen und weltweit verbreitet. Komponisten arrangierten bestehende Kompositionen für die Brass-Bands, schrieben auch neue Stücke speziell für die „Messing-Bands“.
Beim Einzug der Musiker zu diesem musikalischen Familienprogramm aber brachen sich erste Sonnenstrahlen ihren Weg durch Wolkenlücken, ließen ihre Instrumente glänzen. Die Brass Band Hessen mit ihren 28 Bläsern und 5 Schlagzeugern unter der Leitung von Hans-Reiner Schmidt besteht seit dem Jahre 2008 und ist einer von etwa 20 Orchestern dieser Art in Deutschland. Und glänzend legten die Musiker los. Tanzmusik in ein Marschtempo wechselnd, perfekt gespielt, zwischenzeitlich gedämpft, leicht melancholisch, um dann wieder aufzubrausen.
Nach dem ersten Musikstück (Intrada über „Eine feste Burg“ von Ray Farr) trat der Althornist Simon Dillman vor und las die erste Passage seiner selbst geschriebenen Geschichte vom kleinen Drachen Fungtschu vor. Der kleine Drache Fungtschu lebt am herrschaftlichen Hof seines Vaters, des Drachenkönigs Dragomil. Er langweilt sich, träumt von vom großen Drachenmond, dem Ort, an dem die die tapfersten, stärksten und mutigsten aller Drachen leben sollen. Nach einem Streit mit seinem Vater beschließt er abzuhauen und macht sich alleine auf die Suche nach dem geheimnisvollen Drachenmond. Und er findet ihn, den Drachenmond, in sich, fliegt gestärkt zurück ins Drachenschloss, berichtet dem Vater stolz von seinem Abenteuer und es kommt zwischen den beiden zur glücklichen Versöhnung. In der Abwechslung zwischen fesselnden Textpassagen und dem Klangerlebnis der einzelnen Stücke liegt der großer Reiz für die kleinen und großen Zuhörer, die begeistert mit auf die Reise durch klassische Kompositionen des Brass Band Repertoires gehen.
Im Zentrum des Programms stehen „The Year of the Dragon“ von Philipp Sparke und „Lake of the Moon“ von Kevin Houben. Aber auch das märchenhafte „Over the rainbow“ von Harold Arlen, „Think of me“ von Andrew Lloyd Weber und musikalische Zitate aus vielerlei anderer Musikstücke, u.a. Variationen aus Mozarts 40. Sinfonie sind in einem Stück vom Dirigenten Hans-Reiner Schmidt zu entdecken. Er hat auch weitere Arrangements, u.a. den Einzug der Gladiatoren oder den Astronautenmarsch, geschrieben. Mit ihrem weichen, mächtigen aber auch differenzierten Sound und der virtuosen Bandbreite begeisterte die Brass Band Hessen das Publikum. Stellvertretend für die vielfachen Soli von Trompete, Horn oder Posaune sei auf den längeren gekonnten Solopart der 5 Schlagzeuger verwiesen, dem das Publikum begeistert mit Pfeifen, Klatschen und Fußgetrampel dankte.
In der Pause durften die Kinder die Musiker zu ihren Instrumenten befragen, sie, die verschiedensten Musikinstrumente, auch anfassen und spielen. Sofort herrschte großer Andrang. Neugierig wurde gefragt und mutig mit Trompete, Posaune, Horn oder Tuba gespielt, auf den verschiedensten Trommeln getrommelt. „Wenn die Pause länger wäre“, so einer der Musiker anerkennend, „dann könnten sie für uns weiter spielen.“ Das wäre sicherlich lustig geworden, zugleich wäre es sehr schade gewesen, da das Publikum nicht in den großen Genuss ihrer musikalischen Professionalität und ihrer Freude, ja Spaß, am gemeinsamen Spiel gekommen wäre. Und diese eigene Begeisterung übertrug sich auf das Publikum und ließ dieses Konzert zu einem besonderen Genuss werden. So war es nicht verwunderlich, dass über dem freudig erregtem Publikum und den heiter zufriedenen Musikern am blauen Himmel die Sonne strahlte. Und so bleibt am Ende nur die Frage: „Wann kann man die Brass Band Hessen wieder in Bad Vilbel erleben?“