Brass Band Nr. 5 (Mai 2013), S. 24/25 – Brass Band Zeitschrift der Schweiz
Der am 24. März 2013 voll gefüllte Clara Schumann Saal des Dr. Hoch’schen Konservatoriums Frankfurt dokumentierte eindrucksvoll, dass die Stippvisite der Brass Band Hessen durch ihr erstes Aufeinandertreffen mit dem Solisten Matthias Höfs auch beim Publikum eine vorfreudige Erwartung ausgelöst hatte.
Rund 75 Minuten nach dem Erklingen der ersten Töne wurde der Solist unter großem Applaus zur zweiten Zugabe auf die Bühne gerufen und das Publikum sah seine Erwartungen mehr als erfüllt.
Die Idee zur Zusammenarbeit der Brass Band Hessen mit dem an der Musikhochschule Hamburg lehrenden Trompeter Prof. Matthias Höfs in der Stippvisiten-Reihe des Ensembles entstand tatsächlich auch im Rahmen einer Stippvisite. Der Leiter der BBH Hans-Reiner Schmidt war in den vergangen Jahren mehrfach für einige Konzerte beim renommierten Blechbläserensemble German Brass, welches Höfs seit den 80er Jahren maßgeblich prägt, zu Gast. In Gesprächen nach den Proben berichtete Schmidt von der Arbeit mit seiner Band und stieß dabei auf offene Ohren. Im Wissen um Schmidt’s Fähigkeiten als Arrangeur wählte Höfs drei Werke aus seinem breiten solistischen Repertoire, welche Hans-Reiner Schmidt für das Spiel mit Brass Band umsetzte und in ein vielseitiges Programm einfügte.
Das Konzept der Stippvisite, dem Publikum in der kompakten Form eines rund 70 minütigen, durchgängigen Programms eine möglichst große musikalische Bandbreite des Klangkörpers Brass Band Hessen zu präsentieren sei, so Schmidt, äußerst reizvoll, lasse aber wenig Spielraum für ein langsames Heranführen. Vielmehr müsse die Tür direkt voll aufgehen, ohne Abtasten und musikalisches „Durchs-Schlüsselloch-Schauen“.
Die Eröffnung des Konzertes mit „Shine as the Light“ von Peter Graham wurde diesem Anspruch sicherlich gerecht. Die Bearbeitung dreier Choräle der Heilsarmee (It’s A Great Day, Candle of the Lord, The Light Has Come) präsentiert mit seinem flirrenden Beginn, seiner besonderen Rhythmik, den wunderschönen Melodien im Mittelteil und seinem atemberaubenden Schluss zahlreiche Facetten einer Brass Band. Die Begeisterung, die der Vortrag dieses Klassikers der Brass Band Literatur bei den Musikern der BBH immer wieder auszulösen vermag, übertrug sich auch in diesem Konzert direkt auf die Zuhörer.
Für sonntägliche Spätaufsteher folgte im Anschluss eine der zahlreichen Erstaufführungen von Arrangements aus der Feder von Hans-Reiner Schmidt: die „Morgenstimmung“ aus der ersten Peer Gynt Suite, die mit ihrem melodischen Dialog zwischen Flügelhorn und Euphonium auf einem von Kornetten, Alt- und Baritonhörnern gestalteten „Steichertreppich“ zu gefallen wusste.
Nach diesen ruhigen Klängen war die Bühne bereitet für den ersten Auftritt des Solisten Matthias Höfs, der mit gleich drei Instrumenten die Bühne betrat. In „Variations on Summertime“ stellte der Solist nach einer strahlenden Einleitung der Band die melancholische Melodie aus George Gershwins Oper „Porgy and Bess“ mit einer Sopranposaune vor. Mit dem bezaubernden Klang dieses Instrumentes konnte der Solist die Zuhörer sofort in seinen Bann ziehen und nahm das Publikum im weiteren Verlauf des Stückes mit atemberaubender Technik und beindruckender Musikalität auf Trompete und Flügelhorn mit auf die Reise durch die von Peter Lawrence gestalteten Variationen. Die in einem orchestralem Schlussakkord endenden furiosen Staccato-Triolen des Solisten ließen das Publikum beeindruckt zurück.
„A Song for Japan“, von Steven Verhelst für das gleichnamige Projekt geschrieben, entstand im Anschluss an die Tsunami-Katastrophe und stellt eine Zusammenarbeit aller japanischer Posaunisten, die außerhalb Japans leben und Gruppen dar, die enge Verbindungen nach Japan haben und zielt darauf ab, die Opfer in Japan durch Musik zu unterstützen und aufzuheitern. Der einleitende Vortrag der Solo Kornettisten, abgelöst durch die Hornisten, die das melancholisch verhaltene Motiv des Stückes vorstellen, weitergeführt in schönen Solopassagen von Flügelhorn und Bariton, sowie die zunehmend größer und optimistischer werdende Melodie, welche die Band mit stetig steigenden Klangvolumen vorantrieb, ließen ein berührtes Publikum zurück und den Titel zu einem der „Lieblinge“ des Konzertes werden.
Die Literaturvertonung von Otto M. Schwarz „Around the World in 80 Days“ war erfahrenen Besucher der Konzerte der Brass Band Hessen bereits wohl bekannt, konnte diese aber ebenso wie Erstbesucher der BBH einmal mehr mitreißen. Die Vielfalt der Klangfarben, die den Zuhörer mit auf eine Reise vom Ausgangspunkt England einmal rund um die Welt nimmt, konnte insbesondere die jüngeren Konzertbesucher begeistern.
Der Flügelhornsound, den Matthias Höfs bei seinem folgenden zweiten Auftritt mit der Jazz-Ballade „How do you keep the Music playing?“ von Michel Legrand in den Saal hinaus trug, hatte in den Proben am Konzertwochenende schon die Musiker der BBH beeindruckt und faszinierte mit leisesten, zerbrechlichen Passagen und über die Band strahlenden Linien auch die Zuhörer, die den Solisten mit ihrem Applaus nach Verklingen des Schlussakkordes mehrfach auf die Bühne riefen.
Ein absoluter Gänsehautgarant erklang im Anschluss. Der Brass Band Klassiker „Canterbury Chorale“ von Jan van der Roost bot Gelegenheit die klanglichen Qualitäten der Band und ihre dynamische Bandbreite zur Geltung zu bringen. Diese Möglichkeit ließ sich Hans-Reiner Schmidt nicht entgehen und erschuf mit seinen Musikern ein Klanggewölbe über dem Manuel Viehmanns Sopran Kornett geradezu zu schweben schien.
Der spanische Marsch „Gallito“ für Brass Band eingerichtet von Hans-Reiner Schmidt bereitete auch geographisch den Weg zum letzten Werk des Programms. Zu „Spanish Moods“ von Wolf Kerschek kehrte der herausragende Solist Matthias Höfs zum dritten Mal auf die Bühne zurück. Dieses Mal mit seiner einzigartigen Double-Bell Trompete aus dem Hause des Musikinstrumentenbauers Max Thein. Ursprünglich eingerichtet für Double Bell Trompete, Flamenco Trio und Orchester erklang auch dieses Werk als Uraufführung mit Brass Band-Begleitung. Neben den ungewöhnlich vielfältigen klanglichen Möglichkeiten der Trompete mit zwei Schallbechern, von denen einer mit einem Cup-Mute versehen war, konnte Solist Matthias Höfs hier einmal mehr seine außerordentlichen technischen Fähigkeiten und eine weitere Facette seines breiten musikalischen Könnens präsentieren, verpackt in ein Werk mit eingängiger Melodie, die auf treibenden Rhythmen einem irrwitzigen Abschlussfeuerwerk entgegen fliegt.
Dem andauernden Applaus des Publikums trat die BBH nicht ganz unvorbereitet entgegen und präsentierte „In der Halle des Bergkönigs“ ein weiteres Stück aus Edvard Griegs Peer Gynt Suite. Die bekannte Melodie wird in diesem Arrangement von Hans-Reiner Schmidt von den Tuben vorgestellt und durch das Einsetzen jeder weiteren Gruppe stetig beschleunigt. Das von der Band vorgelegte Tempo, verlangte im Zielspurt des furiosen Finales vor allem den Schlagzeugern an den Stabspielen noch einmal alles ab und verfehlte seine Wirkung nicht. Das begeisterte Publikum honorierte den mitreißenden Vortrag der Brass Band Hessen mit kräftigem Applaus und „verdiente“ sich so die eingangs erwähnte zweite Zugabe des Abends, in der Matthias Höfs die BBH noch einmal durch das Finale von „Spanish Moods“ führte.
Die von Solist, Dirigent und Band gleichermaßen als ausgesprochen angenehm, entspannt und inspirierend empfundene Zusammenarbeit wird in Zukunft wohl eine Fortsetzung finden, dann vielleicht bei einer Stippvisite in der hanseatischen Heimat des Solisten.